top of page
Artikel-Storytelling.png

03. JUNI 2025

Clowns sind die besseren Verkäufer

Wer in der Werbung nicht lustig ist, muss schon ziemlich mutig sein. Denn Humor ist eines der effektivsten Werkzeuge der Werbung. Es hilft dabei, Aufmerksamkeit zu erhalten, in Erinnerung zu bleiben und lässt Marken sympathischer, moderner und weltoffener wirken. Die Hälfte der Kantar Creative Effectiveness Award-Gewinner nutzen Humor und das obwohl nur 33% der von Kantar untersuchten Werbung irgendeine Form von Humor einsetzt. Trotzdem hat es Humor in der Entstehung einer neuen Kampagne nicht immer leicht. Ich wage zu sagen: Besonders in der Schweiz. Hier die häufigsten Bedenken, die ich in Meetings geäussert höre und weshalb wir sie öfters zur Seite legen sollten.

«Das mag ja lustig sein, funktioniert in der Schweiz aber nicht»


Anders als Schokolade und Uhren ist Humor kein Attribut, das man der Schweiz und ihrer Bevölkerung typischerweise zuschreibt. Trotzdem, daraus abzuleiten, dass das Land kollektiv keinen Humor «versteht», geht einen Schritt zu weit (vielleicht auch zwei, drei Schritte zu weit). Die Serien, die in der Schweiz die meisten Zuschauer:innen anziehen, sind meist die gleichen wie im Ausland. So gehört Bridgerton, prächtig, witzig und fies, auch in der Schweiz zu einer der meistgeschauten Serien und Ricky Gervais füllt auch in Zürich das Hallenstadion (im Juli ist er übrigens wieder hier, die Tickets beginnen ab CHF 92.30 – so viel lassen sich die Menschen in der Schweiz das Lachen kosten). Wen diese Anekdoten nicht überzeugen, für den gibt es Studienbelege: Das Marktforschungsunternehmen Marketagent Schweiz hat im letzten Jahr eine Umfrage zu Humor in der Werbung durchgeführt. Dabei sagten die Befragten, dass Unternehmen, die humorvolle Werbung machen sympathisch (77%) und weltoffen (68%) wirken und dass die Werbung im Gedächtnis bleibt (74%). Die Schweiz scheint also kein humorresistentes Land zu sein.




«Wer lustig ist, wird nicht ernst genommen»


Die Angst, durch Humor nicht professionell zu wirken, ist nicht neu. Der US-amerikanische Werbetexter Claude C. Hopkins sagte bereits 1923 «People don’t buy from clowns». Dass er mit dieser Aussage daneben lag, bewies spätestens Ronald McDonald 40 Jahre später. Aber wir finden Gegenbeweise auch näher und aktueller: In der oben erwähnten Studie von Marketagent fanden 66%, dass Humor in der Werbung selbstbewusst wirkt und 49% denken, dass Humor ein Unternehmen kompetenter erscheinen lässt. Nur gerade 9% finden, dass Humor inkompetent wirkt. 

Für 42% macht Humor keinen Unterschied in Bezug auf Kompetenz – sehr wohl jedoch bei anderen positiven Attributen wie oben bereits erwähnt.




«Also gut, aber nicht bei diesem ernsten Thema!»


Es gibt Themen, da ist es schwer vorstellbar, dass Humor Platz finden kann, ohne unangebracht zu wirken oder das Thema zu trivialisieren. Und doch, Humor kann ein effektiver Coping-Mechanismus sein. Er kann helfen, stressvolle Situationen aus einer neuen Perspektive zu betrachten, negative Emotionen zu regulieren und erhöht die Widerstandsfähigkeit. Der Gen Z wird gar zugeschrieben, Humor als Coping-Mechanismus angesichts der grossen Krisen, mit denen sie aufwachsen, für sich entdeckt zu haben. In England werden Stand Up Comedy Kurse durch die NHS (der staatliche Gesundheitsdienst) für Menschen mit Suizidgedanken verschrieben. Und in einer vielfach ausgezeichneten Kampagne «Last Performance» des Neuseeländischen Lebensversicherers Partners Life fordern «wiederauferstandene Leichen» die Zuschauer:innen einer Detektivserie auf, eine Lebensversicherung abzuschliessen. Geschmacklos? Die Erfolge der Kampagne zeigen ein anderes Bild. Lebensversicherungen zu verkaufen, kommt mit einer grossen Schwierigkeit: Es zwingt uns, über den eigenen Tod nachzudenken. Die Kampagne von Partners Life nutzt Humor geschickt, um Menschen dazu zu bringen, sich dem Thema zu nähern, statt es zu verdrängen.


Humor ist kein Nice-to-have in der Kommunikation. Er ist ein mächtiges Werkzeug, um Aufmerksamkeit zu gewinnen, Botschaften zu vermitteln und um komplexe oder schwierige Themen zugänglich zu machen. Also, haben wir Mut zum Lachen. Die Konsument:innen werden es uns danken – mit Aufmerksamkeit, Sympathie und Wirkung.



Carole Räber ist Strategy Director bei thjnk Zürich.

bottom of page